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  In der Klemme: Das Kalkwerk

"Das Kalkwerk" - allein der Name dieses Romans von Thomas Bernhard erinnert an Blutleere oder Trockenheit. Was hat der Regisseur Ulrich Gerhardt aus diesem Werk gemacht, das als 90minütiges Hörbuch im Hörverlag erschienen ist?
Konrad hat sich einen jahrelangen Traum erfüllt. Er bezieht mit seiner körperbehinderten Frau ein Kalkwerk. Dort will er in absoluter Ruhe eine Studie über das Gehör niederschreiben. Seit Jahrzehnten schon hat er sie komplett im Kopf.
An Ausgrenzung von früher Kindheit an gewöhnt, isoliert sich Konrad nun völlig in seinem luftleeren Eigenheim. Der einzige Kontakt, den dieser Sonderling unterhält, ist der zu seiner Frau. Er liebt sie aber nicht. Sie ist ihm lediglich nützlich. Anhand der "urbanschitschen" Methode führt er mit ihr bis zur völligen Erschöpfung gehende Wortexperimente durch. Kratzgeräusche, Sausen Surren, Schaben und Blasen muss sie außerdem über sich ergehen lassen - alles im Dienste der Forschung. Schließlich entledigt er sich ihrer mit zwei Schüssen in den Hinterkopf.
Das Hörbuch zeichnet den Weg eines Außenseiters in die Selbstzerstörung nach. Der Protagonist will frei sein von gesellschaftlichen Zwängen. Dadurch aber verstrickt er sich nur in quälende Widersprüche. Er hat zwar die äußere Ruhe, aber die innere nicht. Seine angeblich genialen Ideen entgleiten ihm kurz vor der Niederschrift. Und eingekerkert in seinem Kalkwerk mit "höchstem Sicherheitsfaktor" fühlt er sich zunehmend schutzlos.
Die indirekte Rede, die retrospektiv formulierten Gedanken unterstützen die Athmosphäre des abgerückt Unnahbaren. Die Wiederholungen, das immer wieder Nachspüren von einzelnen Wörtern und Sätzen im gleichen oder ähnlichen Wortlaut drücken ein verzweifeltes Bemühen aus, so als entglitte etwas, das es festzuhalten gilt.
Der sprachgewaltige Roman von Thomas Bernhard ist kongenial umgesetzt. Die Spannung dieser selbstgewählten Isolation ist regelrecht greifbar. Sie ist verständlich, aber gleichzeitig bedrohlich.
Ulrich Matthes leiht diesem Werk zwei ungleiche Stimmen, die die subtilen Züge dieses Romans unterstreichen. Mal spricht er im sachlich-gereizten Ton eines räsonierenden Forschers, das andere Mal klingt er melancholisch-weich. Dadurch ergreift das Gehörte, aber gleichzeitig hält es den Hörer auf Distanz. Er läuft nicht Gefahr, sich von dem Sog der beklemmenden Untergangsstimmung hinabziehen zu lassen. Es bleibt reichlich Platz zum Genießen und Nachdenken, zum Überdenken.

Thomas Bernhard , "Das Kalkwerk"

© 2002

 

 

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