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  Ein Stück Fußball-Nostalgie: Elf Freunde müsst Ihr sein

"Elf Freunde müßt ihr sein, wenn ihr Siege wollt erringen" liest Heini Kamke laut vor. Die Inschrift steht auf der "Viktoria", dem Pokal für den deutschen Fußballmeister. Eine Nachbildung des Pokals hat Heini gerade im Namen des "Teams" an den Rechenlehrer Peters überreicht.
Die "Bibel" von Hunderttausenden von Jungen der 60er Jahre ist jetzt leicht gekürzt als Hörbuch erhältlich. Niemand geringeres als Dieter Hildebrandt, alter Freund und Weggefährte Sammy Drechsels, liest, nein inszeniert, dieses Berliner Fussballmärchen der fünfziger Jahre.
Der Gewinn der Berliner Schulmeisterschaft ist das Ziel der Jungen aus der 5. Volksschule Berlin - Wilmersdorf. Heini Kamke, Kapitän und Torschützenkönig der Mannschaft, steht im Mittelpunkt der Geschichte. Obwohl sie sich keine richtigen Fussballschuhe oder Trikots, ja nicht einmal einen eigenen Fussball leisten können, vereint die Jungen ihre Liebe zum runden Leder als verschworene Gemeinschaft. Nur durch ihre Freundschaft gelingt es dem "Team" alle Unwägbarkeiten auszuräumen und die Stadtmeisterschaft zu gewinnen.
Dabei verkörpert Heini Kamke das Ideal des fairen Sportsmanns. Er ist sozusagen ein kleiner Fritz Walter, allerdings kombiniert mit der Abschlußstärke eines Helmut Rahns. Heini verdient sich das Geld für neue Fussballschuhe als Balljunge auf dem Tennisplatz. Er gibt zu, einen wichtigen Treffer irregulär erzielt zu haben, obwohl der Schiedsrichter es nicht gesehen hat. Heini kämpft immer bis zum letzten, ohne sich zu schonen und baut seine Mitspieler nach einer deftigen Niederlage wieder auf. Als Kapitän ist er das Herz und die Seele des "Teams". Als Belohnung schießt er im Finale alle vier Tore beim 4:3 Sieg gegen Charlottenburg und erhält anschließend einen Ausbildungsplatz beim Chefredakteur der "Fussballwoche" Ernst Werner. Alle seine Träume gehen in Erfüllung, weil er nicht nur an sich selber denkt und nicht nur für sein eigenes Glück kämpft, sondern in seinem Handeln immer die anderen berücksichtigt.
Fussball - Idealismus in Reinkultur kommt hier zum Vorschein.
"Es gibt nur Menschen, keine Gesellschaft und schon gar keine Gemeinschaft", soll Margret Thatcher einmal gesagt haben. Im Sport und gerade im Fussball der Gegenwart scheint es auch nur ein verbindendes Element zu geben: das Geld. Der Traum von den "elf Freunden" ist auch vom letzten Nostalgiker ausgeträumt. Selbst bei den Jugendlichen geht es schon sehr früh darum, welcher Verein am meisten zahlen kann. Fussballteams sind größtenteils Zweckgemeinschaften; individueller Erfolg und Karriere stehen an oberster Stelle.
Bei diesen traurigen Realitäten ist es gerade zu eine Freude in den "Elf Freunde Traum" zu versinken. Fussball in seiner ursprünglichsten Form übt eine große Faszination aus,in seiner unbefleckten Jungfräulichkeit. Dieter Hildebrandt zieht den Zuhörer mit seiner enthusiastischen Sprechweise immer tiefer in den Bann dieser Geschichte. Jeder Person verleiht er eine individuelle Note. Auch der Berliner Akzent geht Hildebrandt leicht von der Zunge, ohne das er unverständlich wird. Den Spannungsbogen der Vorlage macht er durch eine kontinuierliche Steigerung seiner Stimme hörbar. Am Ende klingt er fast wie der Radioreporter Herbert Zimmermann beim legendären WM Endspiel 1954 in Bern.
Das Endspiel, 50.000 Zuschauer, der aussichtslose Rückstand, die Aufholjagd und schließlich Heinis entscheidender Flugkopfball lassen dem geneigten Fussballfan schon mal Schauer über den Rücken laufen. Das sind die Momente von denen jeder träumt, der schon einmal gegen das runde Leder getreten hat und die doch den meisten vorenthalten bleiben. Aber das Träumen kann niemandem genommen werden. Wer sieht am Ende schon noch Heini Kamke jubelnd am Boden liegen und nicht sich selbst?

Sammy Drechsel, "Elf Freunde müsst Ihr sein"
Gelesen von Dieter Hildebrandt
© 2002, Print-Erstveröffentlichung 1955
4 CDs, Laufzeit 268 Minuten
Hörcompany Schaack & Herzog, Hamburg
ISBN 3-935036-25-6

 

 

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