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  Oh, Mann: BBC- Reden 1941 bis 45

Was damals unter Strafe stand, kann jetzt ohne Reue genossen werden: "Thomas Mann - BBC-Reden 41- 45. Deutsche Hörer!" Erschienen sind sie 2003 beim Hörverlag.
Man hört wie jemand am Radio dreht: "kr...kr, gr ..g" macht es, bevor man altes Stimmen-Geknister vernimmt: lautes, herrisches, verzerrtes, hartes Deutsch. "Die Fahne hoch, ...", ein aus dunklen Kehlen gesungenes Nazi-Lied wechselt unverkennbar zum barschen "Führer-Gebrabbel". In einer anderen Rede wird gegen das internationale Judentum gewettert. Und wenn ein Redner unverhohlen die Polen zu Untermenschen herabwürdigt, johlt die Menge zustimmend auf.
Dann macht es wieder gr ... kratz.... , bis das Thema von Beethovens Neunter zu hören ist, gefolgt von "Deutschsprachiger Dienst BBC". Und dann ertönt eine weitere, eine andere Stimme als die vorherigen. So will es die Inszenierung der CD und so will sich auch der Sprecher verstanden wissen: als eine andere Stimme, die den Deutschen ins Gewissen reden will, weil sie selbst aus dem Gewissen heraus rede.
Es ist die Stimme Thomas Manns. Es ist eine Stimme, die warnen, die sich von der großen Masse derer abheben will, die am Nazi-Verbrechen mitschuldig geworden sind. Daher sollen sich die Deutschen auch nicht über die verheerenden Folgen der Bomben-Attacken beklagen, so Mann. Sie ernteten lediglich, was sie gesät hätten. "Ich denke an coventry und habe nichts einzuwenden... alles muss bezahlt werden.", sagte Mann im April 1942 nach einem Luftangriff auf seine Heimatstadt Lübeck.
Belegen kann er seinen Mut und Scharfsinn ebenfalls. Bereits im Oktober 1930 habe er im Beethoven-Saal in Berlin vor Nazis an die Vernunft appelliert. Seine BBC- Reden seien im Wert höher zu veranschlagen als sein literarisches Gesamtwerk, meint der Nobelpreisträger selbst.
Zweifelsohne bewegen sich seine Reden auf höchstem literarischen Niveau und sind gut vorgetragen. Es ist ein Genuß ihnen zuzuhören. Doch sie sagen wenig, was nicht schon viele andere vor und nach ihm über den Faschismus gesagt hätten. Zudem sind sie seltsam blutleer, sie bewegen nicht, sie rütteln nicht auf, sie machen keinen Mut, sie trösten nicht; sie zeigen vor allem kein Mitleid für die unschuldigen Opfer des Krieges. Für Mann scheinen alle gleichermaßen schuldig geworden zu sein.
Auch scheint Thomas Mann zu vergessen, dass er zu Hörern spricht, die ganz bestimmt nicht zu jener kriegshetzerischen Masse gehört haben. Trotz bedrohlicher Strafen hatten sie es immerhin gewagt, den Feindsender zu hören!
Bei diesen BBC-Reden handelt es sich wohl eher um ein aufschlussreiches Dokument eitler Selbst-Inszenierung als um das, was es darstellen wollte: eine Mahnung, für die man ihm noch danken würde.
Abgesehen davon ist diese Radio-Collage als zeitgeschichtliches Zeugnis sehr raffiniert gemacht. Hörenswert!

Thomas Mann, "BBC- Reden 1941 bis 45 "
Gelesen von Thomas Mann
© 2003 by Der Hörverlag
1 CD, Gesamtdauer 73 Minuten
ISBN: 3-89940-398-3

 

 

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