Den "Paganini der Abschweifungen" hat ihn eine Zeitung genannt. Zu recht trägt Harry Rowohlt diesen Titel. Wenn er life liest, dann sind die Abschweifungen vom vorgetragenen Manuskript das eigentliche Salz in der Suppe.
Eine solche Live-Lesung des Sprechers, Schauspielers und Übersetzers wurde Anfang 2005 in Berlin mitgeschnitten. Sie ist unter dem Titel "Harry Rowohlt - der Paganini der Abschweifungen life" auf zwei CDs erschienen.
Als Lesung kann man Rowohlts Auftritte eigentlich kaum bezeichnen. Sehr häufig unterbricht er die Rezitation des vorliegenden Manuskripts, um amüsante Anekdoten aus seiner reichhaltigen Tournee-Erfahrung oder witzige Erläuterungen des Textes zum Besten zu geben. Diese "Unterbrechungen" haben einen fast kabarettistischen Charakter.
Seinen selbst verfassten "Schund-Western" garniert der Hamburger Verlegersohn mit zahlreichen originellen Randbemerkungen. Im Text selbst karikiert er nicht nur triviale Western-Romane, sondern auch Kochrezepte von Prominenten. Zwischendurch erfährt der Hörer Interessantes über Maggi, Winchester-Gewehre, Bad Bevensen oder über den Buchhandel.
Im zweiten Text berichtet Rowohlt von einer Lesereise nach Wien. Dabei macht er nicht nur die verschiedenen Stimmen der Beteiligten nach, sondern imitiert auch gekonnt den Wiener Tonfall mit seinem unverkennbaren Schmäh. Auch diese Geschichte strotzt - ebenso wie die eingeschobenen Randbemerkungen - wieder von Witz und Ironie.
Getreu seinem Beruf als Übersetzer hat Rowohlt einen Text des Satirikers Robert Gernhardt vom Hessischen ins Norddeutsche übertragen. Auf Plattdütsch beklagt er: "Der Baum nadelt!"
Nachbarn werden gerufen. Experten kommen schauen. Nach und nach füllt sich die Bude, weil der Baum nadelt. Schließlich ruft die Frau das Fernsehen an. Doch da hört der Baum einfach auf, zu nadeln.
Unermüdlich setzt Rowohlt eine Pointe an die andere. Es ist ein Genuss, dem Mann mit der rauchigen Stimme zuzuhören, wenn er die unterschiedlichsten Dialekte und Stimmen nachahmt. Auch eine Nachhilfestunde in Hamburger Idiom darf da natürlich nicht fehlen. Seine Rolle als "Penner Harry" in der Lindenstraße" bietet ihm Anknüpfungspunkte, anlässlich eines Wohltätigkeitsauftrittes in Dortmund die korrekte Aussprache von "Doormund" im Kohlenpott-Slang vorzuführen.
Immer wieder garniert der Rezitator seinen Vortrag mit weiteren Geschichten, die das Leben ihm auf seinen Lesereisen ins Gedächtnis geschrieben hat. Die unbeholfene Reporterin einer schwäbischen Provinz-Zeitung bekommt dabei ebenso ihr Fett ab wie der Basler Buchhändler, der ganz vornehm um die Erwähnung der Tatsache bat, dass man Bücher auch kaufen könne.
Bücher sind das eigentliche Thema des 60-jährigen Verlegersohns. Er berichtet von seiner Ausbildung zum Verlagskaufmann und den Gepflogenheiten im Lager, wo er das erotische Treiben seiner Vorgesetzten vor dem kritischen Auge höherer Chefs schützen musste.
Rowohlts Life-Lesung ist ein Feuerwerk von Witz, Parodie und amüsanter Wirklichkeit. Besser könnte kaum ein Kabarettist sein Publikum unterhalten. Die Pointen sprudeln nur so heraus, ohne ein Ende nehmen zu wollen. Vier Stunden "Lesung" sind bei Rowohlt keine Seltenheit. Und bei alledem lernt der Zuhörer auch noch das ein oder andere.
Besser als das Hörbuch "Harry Rowohlt - der Paganini der Abschweifungen life" ist nur noch, Harry Rowohlt selbst life zu erleben.