Zuerst wird ein Name genannt, zum Beispiel "Graf Blankert. Darauf werden Eigenschaften wie "elegante Erscheinung", "verpatzter Charakter" und ähnliches aufgezählt. Exemplarische Dialoge und Beschreibungen untermauern dieses Profil.
Auf 2 CDs sind weitere Geschichten dieses Zuschnitts unter dem Titel "Kleine Leute" von Ödön von Horvath im Ullstein-Verlag erschienen. In kurzen - rasch wechselnden - Erzählungen skizziert der Autor abhängig Beschäftigte in der Weimarer Republik. Man erfährt eher beiläufig, aber umso nachhaltiger von Inflation und radikalen politischen Strömungen, und davon, dass die Arbeiter noch vor wenigen Jahren keine festen Löhne erhalten haben.
Unüberhörbar ist der bayrische Einschlag der Sprecher Wolf Euba und Martina Gedeck, die abwechselnd in unterschiedliche Rollen schlüpfen. Während Euba den derben, urwüchsigen Bajuwaren mimt, übernimmt die Schauspielerin den weichen, melancholischen Sprechpart. In allen Texten geht es um die Sorgen und Nöte der kleinen Leute, die von einem besseren Leben träumen, von mehr Lohn, und überhaupt davon, so zu leben und zu sein wie die da oben. Unkritisch sind sie dabei gegenüber ihren bessergestellten Vorbildern, die sich alles andere als vorbildlich verhalten. Teilnahmslos, fast abgestumpft schildert Gedeck in der Rolle der Anna Pollinger von ihrer Abtreibung und wie mehrere Herren "über sie gestiegen" seien. Kobler probiert einen sozialen Aufstieg über eine Liebelei mit der Hofopernsängerin, die er aber schnell wieder verläßt, nachdem sie vorschnell gealtert ist und ihr das Geld ausgegangen ist. Ein anderes Entkommen scheint es nicht zu geben, als dass sich die kleinen den großen Leuten anzugleichen suchen. Das Sein bestimmt auch hier das Bewußtsein. Horvarth bricht mit sozialromantischen Klischees. Bei aller Kritik verzichtet er aber darauf, in den herablassenden Tenor gegen die sogenannte tumpe, leicht steuerbare Masse einzustimmen. Im Gegenteil: Der Autor gewährt den sogenannten kleinen Leuten eine Stimme, die sie sonst nicht hätten, geschweige denn erheben könnten. Das Werk enthält sehr realitätsnah und ernüchternde Dokumente, die an naturalistische Milieuschilderungen eines Gerhard Hauptmann oder Georg Büchner erinnern.
Die Lesung wird dem Werk gerecht. Dank der sprecherischen Interpretation von Martina Gedeck und Wolf Euba hört man die für Horvarths Werk typische Beklemmung heraus. Die Schlussfolgerung daraus muss der Hörer selber entwickeln.
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