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  Ausweglose Liebe: Romeo und Julia auf dem Dorfe

Die Namen "Romeo" und "Julia" stehen als Inbegriff der unerfüllten Liebe zwischen zwei Menschen, die durch ihre Familien voneinander getrennt werden. Das aus William Shakespeares Drama "Romeo und Julia" weltbekannte Motiv hat Gottfried Keller in seiner 1875 erstmals veröffentlichten Novelle "Romeo und Julia auf dem Dorfe" wieder aufgegriffen. Als Hörbuch ist die Geschichte zweier Liebender auf drei CDs beim Verlag und Studio für Hörbuchproduktionen erschienen.
Salomon Mans - genannt "Sali" - und Vreni Marti leben in einem kleinen schweizerischen Dorf. Sie kennen sich schon von Kindesbeinen an. Doch seit ihrer Jugend haben sie sich kaum noch gesehen, weil ihre Väter seither im Streit miteinander liegen.
Entzweit hat die beiden Bauern die Ecke eines Grundstücks, die jeder von ihnen für sich beansprucht. Dabei gehört die Wiese zwischen ihren Äckern eigentlich dem "schwarzen Geiger". Doch der reisende Musiker kann den Anspruch auf das Erbe seines Vaters nicht belegen, denn er besitzt keinen Taufschein.
So reißen die beiden Bauern sich nach und nach Furche um Furche des Grundstücks unter den Nagel, bis die Gemeinde schließlich den Rest versteigert. Doch bevor Mans die Wiese erwirbt, pflügt Marti noch ein schräges Stück davon um und verleibt es seinem benachbarten Acker ein.
Vor Gericht streiten die beiden Bauern fortan so erbittert um das kleine Stückchen Land, dass sie darüber ihre Arbeit vernachlässigen. Nach und nach verlieren beide Haus und Hof, all ihr Hab und Gut. Jeder macht jedoch den anderen für seine Misere verantwortlich.
Ein Zufall führt beide nach Jahren mit ihren Kindern auf einer Brücke zusammen. Es beginnt ein Kampf, den Sali schließlich beendet. Dabei kommt er Vreni nahe.
Die Kinder der Streithähne verlieben sich ineinander. Doch ein glücklicher Ausgang dieser Beziehung zwischen den Sprößlingen zweier verarmter Familien ist kaum in Sicht.
Wenigstens wollen die beiden Verliebten einmal einen Sonntag gemeinsam genießen, bevor Vreni das Haus ohne neues Obdach verlassen muss. Tanzen gehen möchten sie miteinander. Im "Paradiesgärtchen" - einer heruntergekommenen Spelunke irgendwo auf einem Berg - spielt der "Schwarze Geiger" ihnen auf. Ihm und seinen Freunden vom "Hudel-Völkchen" folgen sie anschließend auch, bis sie mitten in der Nacht an dem umstrittenen Acker stehen.
All das liest Hans Eckardt in ruhigem Erzählton vor. Ein wenig zu gleichförmig klingt es am Anfang, wo Mans und Marti noch miteinander reden. Ihre Stimmen hätten besser voneinander abgesetzt werden müssen!
Hier entfaltet Eckardt noch nicht seine ganze sprecherische Kunst. Doch dann, als es um die Gefühle der Liebenden geht, steigert sich der brillante Sprecherzieher und Hörbuch-Regisseur allmählich zu seiner sprecherischen Höchstform. Mutlosigkeit und Melancholie, Furcht und Verzweiflung, Leidenschaft und Lebendigkeit drückt er ebenso überzeugend aus wie Unsicherheit und Ungewissheit. Sein ruhiger, beinahe behäbiger Sprechstil passt sehr gut zu Gottfried Kellers ausführlichen Beschreibungen der Landschaft, der Leute und ihrer Empfindungen.
Sali und Vreni versuchen, "die letzte Flamme der untergegangenen Ehre ihrer Häuser" zu bewahren. Die Ausweglosigkeit ihrer Situation beschreibt Keller mit eindringlichen Worten, die Eckart ebenso ausdrucksstark intoniert. Die "Ehre" verkommt dabei mitunter zur hohlen Phrase oder - wie im Fall der betrügerischen Bauern - zu einer dreisten Lüge. Die beiden Kinder werden Opfer dieses Wahns und der gesellschaftlichen Doppelmoral.
"Zuweilen stellt das Schicksal ein Exempel auf", schreibt Keller. "Und das Schild der Ehre ist im Umsehen eine Tafel der Schande!"

Gottfried Keller, "Romeo und Julia auf dem Dorfe"
Gelesen von Hans Eckardt
Regie: Heidemarie Eckardt
Produktion: 2003 by VERLAG UND STUDIO FüR Hörbuchproduktionen
3 CDs, Gesamtdauer 201 Minuten
VERLAG UND STUDIO FüR Hörbuchproduktionen
ISBN 3-89614-306-9

 

 

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